Mode auf Zeit: Re-Sale als Alternative zu Fast Fashion


Von Annegret Handel-Kempf

Wie ich mich kleide, so fühle ich mich. Je natürlicher, desto besser. Mit billigen Teilchen, die kaum getragen, wieder entsorgt werden, funktioniert das nicht. Ein neuer Öko-Trend ist „Re-Sale“. Die Idee dahinter: Hosen, Pullover, Mäntel, Kleider und Röcke so herzustellen, dass sie gefühlt für die Ewigkeit halten. Tolle Qualität, geringer Ressourcen-Verbrauch, keine unnötigen Müllberge sind der Lohn. Damit das tägliche Anziehen trotzdem nicht langweilig wird, schickt Mann oder Frau nicht mehr getragene Teile zum Modehändler zurück.  Der gibt sie zum Qualitätscheck und verkauft sie – als „Re-Sale“ gekennzeichnet – neu und billiger. So verdienen und sparen alle.

„Langlebigkeit ist für uns die beste Form von Nachhaltigkeit“, heißt es beim Gesamtverbands Textil und Mode, wenn es um die Vereinbarkeit von Klimazielen und dem Verlangen nach neuer Kleidung geht. Die deutsche Textil- und Modeindustrie stehe für Qualität, Werthaltigkeit und Langlebigkeit.  

Wertebewusstsein passt zum neuen Öko-Trend „Re-Sale“, also Wieder-Verkaufen von Wertigem über den ursprünglichen Verkäufer.

Ganz schnell ist von Qualität die Rede, wenn der Gesamtverband Textil und Mode auf seiner Website von Familienunternehmen in der dritten und vierten Generation berichtet, die „nachhaltig wirtschaften und dort, wo sie auch außerhalb Deutschlands produzieren, Standards setzen und Verantwortung tragen“. Qualität und werthaltige Produkte korrespondieren den Ausführungen zufolge. Es geht um rund 1.400 mittelständische Unternehmen, die dem Verband zufolge in Deutschland ausbilden, Steuern zahlen und für rund 130.000 Arbeitsplätze und Wertschöpfung sorgen.

Der neue Re-Sale-Trend sorgt dafür, dass Kunden Nachhaltigkeitsansprüche mittragen: Re-Sale als Element der Kreislaufwirtschaft soll für immer neue Kleidung in den Schränken sorgen, ohne dass die Müllberge wachsen. Dafür schicken die Styling-Bewussten guterhaltene Sachen dorthin zurück, wo sie sie gekauft haben. Nach einem gründlichen Check und Up-Cycling stehen die Hosen, Kleider, Jacken, Pullover, Röcke, Mäntel und Co. in einem speziellen Bereich des Online-Shops wieder zum Verkauf. Finden die Sachen neue Abnehmer, verdient auch der ursprüngliche Besitzer daran. Und die Umwelt freut sich über die Wieder-Nutzung nach dem Wieder-Verkauf.

Weil das Up-Cycling Arbeit macht und die Kundinnen Wert auf So-gut-wie-neu-Ware legen, hat vor gut zwei Jahren reverse.supply in Berlin damit begonnen, textile Schönheiten für die Mode-Labels vor dem Weiterverkauf aufzuhübschen.

Nachhaltigkeit nachgehakt bei Janis Künkler, Gründer und Geschäftsführer des Qualitätsprüfers für Marken-Second-Hand, reverse.supply:

Zwölf W-Merker zum Re-Sale

Wer bietet Wiederverkauf an?

Janis Künkler: Unsere Partnerschaften bestehen zum einen mit verschiedenen Marken im Outdoor- und Sportbereich und zum anderen mit namhaften Fair-Fashion-Brands wie Armedangels, hessnatur und Jan`N June.

Vor allem im Outdoor- und Sport-Segment sind die Kleidungsstücke aus sehr langlebigem Material, welches den Wiederverkauf begünstigt.

Wie lohnt sich das für die Wiederverkäufer?

Second Hand ist ein zusätzlicher Umsatzkanal. Marken, mit denen wir zusammenarbeiten, erzielen mit dem Second-Hand-Programm zehn Prozent zusätzlichen Umsatz. Diese setzen schon in der Produktion auf langlebige Materialen und werben bereits beim ersten Verkauf dafür, die Sachen gegebenenfalls wieder einzutauschen.

Warum lohnt sich das für Kunden, die ihre Kleidung wiederverkaufen lassen?

Der rücksendende Kunde verdient natürlich ebenfalls, wenn die Sachen wiederverkauft werden. Er kann auch über einen Gutschein ausgezahlt werden, den der Kunde dann in unseren Partnershops wieder einlösen kann. Vor allem können Kunden so nachhaltig und sinnvoll ihre gebrauchten Kleidungsstücke wieder in den Kreislauf einführen.

Wie viel Kleidung ließe sich weiterverkaufen?

Das Marktvolumen ist riesig und es wächst konstant. Es gibt enorme Massen an Kleidung, die sich dafür eignen, wiederverkauft zu werden. Laut einer Greenpeace-Studie liegen etwa 1,8 Milliarden ungetragene Kleidungsstücke in deutschen Kleiderschränken.

Welchen Gewinn erzielt die Umwelt aus Re-Sale?

Wir haben in Zusammenarbeit mit der Utrecht University eine Studie durchgeführt, die die Co2-Emissionen eines T-Shirts, welches durch unseren Prozess geht, mit denen von zwei T-Shirts aus dem linearen Prozess verglichen hat. Für den Vergleich wurden zwei T-Shirts verwendet, da ein Second-Hand-Shirt zwei Lebenszyklen hat. Am Ende kam raus, dass es 6,6 Kilogramm Kohlendioxid einspart, ein Shirt wiederzuverkaufen, verglichen damit, zwei neue Shirts zu kaufen.

Wie wird Mode durch Circular Economy nachhaltig?

Das nachhaltigste Kleidungsstück ist das, was schon existiert. Daher ist eine der relevantesten Möglichkeiten, um den Kreislauf eines Kleidungsstücks zu verlängern und signifikant Ressourcen und Co2 einzusparen, Kleidung wiederzuverkaufen. 

Wie kann Re-Sale Ultra-Fast-Fashion aus dem Rennen werfen?

Wir müssen Kleidung wieder einen Wert geben. Sie als Wegwerf-Produkt zu deklarieren, darf keine Option mehr sein. In den USA ist der Verkauf von Second Hand fünf Mal so schnell gewachsen wie der allgemeine Kleidungsmarkt. Laut Studien wird der Fast-Fashion-Markt in den nächsten zehn Jahren stagnieren, während der Second-Hand-Markt weiter rasant wächst.

Wie reagieren die Kunden auf das Gegenangebot zu Fast Fashion?

Es zeichnet sich ein deutlicher Wandel ab. Es gibt inzwischen Studien, etwa von der Unternehmensberatung Software Advice, die zeigen, dass fast jeder und jede Zweite nicht mehr bei einem Händler kaufen würde, wenn dieser gar nichts zur Förderung einer kreislauforientierten Wirtschaft beiträgt. Second Hand ist in der breiten Masse angekommen und wird viel gehandelt.

Wo liegen Bremsen für Re-Sale?

Unternehmen, die die Mode in den Kreislauf bringen, sind oft noch sehr zögerlich. Wir setzen uns dafür ein, hier die Berührungsängste fallen zu lassen.

Was motiviert die Modehändler?

Wenn Ware zwei-, drei-, oder viermal verkauft werden kann und dabei jeweils eine Marge herausspringt, dann könnten Modehändler in der Produktion von Anfang an Stoffe einsetzen, die langlebiger und nachhaltiger sind. Unsere Vision ist es, dass langfristig Modehändler die Art, wie Kleidung hergestellt wird, von Grund auf neu denken.

Was ist der Job von reverse.supply?

Künkler: Unsere Produktbewerter sind darin geschult, innerhalb kürzester Zeit die Kleidung zu inspizieren und anhand verschiedener Merkmale einzustufen. Insgesamt wird jedes Kleidungsstück, welches wiederverkauft wird, auf bis zu 30 Punkte geprüft. Zum Beispiel prüfen sie den Geruch oder mögliche Schäden, wie Löcher oder einen fehlenden Knopf.

Parallel zur Qualitätsprüfung kommt unsere eigens entwickelte Software ins Spiel. Dort wird jedes Merkmal in ein Gradingsystem hinterlegt. So werden alle Daten über das Kleidungsstück erfasst.

Reinigung und Reparatur übernehmen wir nicht komplett. Wir dampfreinigen alle Kleidungsstücke, bevor sie für den Onlineshop unserer Kunden fotografiert werden.

Wie hilft Künstliche Intelligenz beim Öko-Trend „Re-Sale“?

Künkler: Machine Learning setzen wir im gesamten Preisbestimmungsumfeld ein, auch wenn die Bearbeitung priorisiert wird. Die Vision ist es, zukünftig mit Hilfe von automatisierter Bilderkennung herauszufinden, um welches Farbschema oder um welche Stoffzusammensetzung es sich handelt.

AHK

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