Zeitenwende unter Strom


Nutzen wir unsere Freiheit in der Energieversorgung – Meinung

Von Annegret Handel-Kempf

Die Zeit drängt, in dieser neuen Wende, die im Zeitraffer zu einer wirklichen Energiewende werden muss.

Zehn Jahre und länger hat die Politik unsere Abhängigkeit vom Gas verfestigt, während wir die Augen verschlossen hielten. Während wir eine sanfte Energiewende herbeiträumten, die uns mit den „same procedures as always“ fortfahren lassen sollte. Während Politiker und Normalbürger Umbauten und Umstellungen auf die lange Bank schoben, weil das bequemer war und weil sie sich keineswegs jeder leicht leisten kann.

Versäumte Umwälzungen, die uns jetzt umso teurer kommen. Die Bürger eines Nachbarlandes vielleicht aber noch viel mehr. Weil wir nicht frühzeitig den politischen Druck in der internationalen Politik durch Verzicht auf fossile Energieabhängigkeiten erhöhen und damit möglicherweise einen unheilvollen Konflikt eindämmen konnten. Während ein technologisch und demokratisch aufstrebendes Land zertrümmert wird. Während seine Bewohner in die Flucht getrieben, auseinandergerissen, verletzt und getötet werden.

Vieles wurde versäumt und verträumt. Vielleicht greift doch noch eine andere Option zur Konfliktlösung und zum Erreichen eines echten Friedens. Ansonsten dürfte es nur eine Frage von überschaubarer Zeit sein, bis der politische Wille, der sich aus der pluralistischen Meinungsbildung durch uns alle ergibt, entschieden genug ist, deutliches politisches Handeln zu legitimieren.

Dieses Drängen sehr vieler Stimmen aus der Wählerschaft und der Gesellschaft als Ganzem würde die Grundlage dafür schaffen, dass sich die regierenden und gesetzgebenden Politiker berechtigt fühlen, die Öl-, Kohle- und Gaslieferungen aus einem unberechenbar erscheinenden Staat abzustellen. Eine weichenstellende Entscheidung wäre das aus Deutschland. Insgesamt soll es um eine Milliarde Euro für Energiekäufe aus der Europäischen Union pro Tag gehen. Diese Milliarde Euro würde den Gegenwert von einem Tag Kriegsführung darstellen, wie ein Experte bei einem Pressebriefing zu bedenken gab.

No energy dependence, no war… Wenn sich diese Frieden und Freiheit verheißende Formel als Zeitenwende in der Energiepolitik realisieren ließe, wäre viel gewonnen. Auch mit Blick auf mögliche weitere Kriege und globale Bedrohungen, die sich aus der überdeutlich gewordenen Erpressbarkeit in der Energieversorgung ergeben könnten. Eine Energiepreisbremse könnte als politisches Instrument in der Zeitenwende flankierend helfen, notwendige Zumutungen in Zumutbarkeiten abzumildern.

Viele Kriege wurden um Öl und Gas sowie um weitere wertvolle Energien und Rohstoffe geführt. Der aktuelle Krieg wurde ihretwegen nicht schnell genug mit allen verfügbaren, gewaltfreien Mitteln zu blockieren versucht. Diese unheilvolle Maschinerie fossiler Abhängigkeiten zu beenden, rechtfertigt es, neue Technologien und „Freiheitsenergien“, wie FDP-Finanzminister Christian Lindner Quellen wie Sonne und Windkraft kürzlich im Bundestag nannte, im Zeitraffer und möglichst barrierefrei zugänglich zu machen. Um den Bürgern eines leidenden Landes und uns allen eine Zukunft ohne Krieg zu ermöglichen. Zudem mit einem Klima, in dem wir überleben können.

Die Umstellung wird sehr hart, zumindest, wenn die problembeladene Energiezufuhr von außen in die EU radikal abgestellt wird. Deshalb braucht(e) ein dahingehender Entschluss Zeit, die eigentlich von Beginn der Eskalation an nicht zur Verfügung stand.

Doch hätte die EU, hätte die bundesdeutsche Ampel-Koalition sofort zum Instrument der Kündigung aller Energielieferungen gegriffen, hätten die notwendige Zustimmung und die Bereitschaft, vieles zu opfern, in der Bevölkerung gefehlt. Ohne eine pluralistisch entstandene Bejahung solch einschneidender Verbindlichkeiten, hätten die Abnabelung von Energie-Großmächten und der indirekten Finanzierung von Kriegen keine Chance zu funktionieren. Dann würde ein Rückfall unter ein außereuropäisches Energiediktat die Erpressbarkeit sogar noch erhöhen.

Denn ohne vorhergehende klare Zustimmung, die sich in einem vielstimmigen Drängen aus der Mitte des Volkes heraus artikuliert, wäre die Durchsetzbarkeit folgenreicher Maßnahmen nicht gegeben. Nachfolgende inner- und außerparlamentarische Turbulenzen würden Energien vergeuden, die für zukunftsgewandtes Handeln in der Zeitenwende dringend notwendig sind.

Ein konstruktives Misstrauensvotum, das eine Regierung und Koalition ausmanövrieren würde, die zu effizientem Handeln in der Energiewende bereit ist, wäre nur eines von mehreren Eskalationsszenarien, die zu erwarten wären. Deshalb müssen die Menschen und Macher in diesem Land und in der EU die Treiber sein, wenn es um eine Befreiung von fossilen Energien aus manchmal dubiosen Quellen zugunsten einer beschleunigten Nutzung von Erneuerbaren Freiheitsenergien geht.

Die Rechnung ist einfach, auch wenn es um die langfristige Beziehbarkeit und Bezahlbarkeit von Strom und Wärme geht. Das nahe Windrad tut nicht weh. Je näher es steht, desto günstiger ist sogar der Strom, der zum Schlüssel auch für Wärme aus Erneuerbaren Energien wird. Krieg hingegen ist grausam. Und Gewalt sollte zur Austragung von Konflikten und Uneinigkeiten im 21. Jahrhundert keine Option mehr sein. Es ist höchste Zeit für eine Zeitenwende. Nutzen wir unsere Freiheit und unsere unbelasteten Energien.

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