Entsorgt das Corona-Management von Faxgeräten und haltet Gesundheits-Innovatoren im Land


Von Annegret Handel-Kempf

Ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie hat Deutschland immer noch ein massives Problem mit der Übertragung von Testergebnissen und der Anordnung von Quarantänen durch Gesundheitsämter. Auch hier wirken Faxgeräte als Bremsen. Zudem wurden Daten und Adressen aus handschriftlich ausgefüllten Papieren fehlerhaft und langsam erfasst. Die Chancen der Digitalisierung wurden nicht rechtzeitig und systematisch genug genutzt.

In Bayern beispielsweise war immerhin im vergangenen Herbst an den Gesundheitsämtern in manchen Landkreisen eine vielseitige Software für die Kontaktnachverfolgung und die Unterbrechung von Infektionsketten eingeführt worden. Diese eigentlich funktionierende Digitalisierungstechnik soll nun mitten im aufreibenden Tagesgeschäft durch die Software „Sormas“ (Surveillance, Outbreak Response Management and Analysis System) ersetzt werden, damit sich angrenzende Bundesländer digital miteinander verständigen können.

In allen bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten, im gesamten Bundesgebiet soll Sormas spätestens zum Stichtag 28. Februar übernehmen, damit wichtige Daten zur Corona-Bekämpfung schneller übermittelt werden. Eigentlich sollte Sormas bereits zum 1. Januar bundesweit in allen deutschen Ämtern installiert sein. Bislang fehlen aber notwendige Schnittstellen. Denn selbst wenn die Software irgendwann in allen Gesundheitsämtern ist: Auch die Kommunikation mit den Laboren und anderen Behörden muss darüber klappen. Das ist nicht selbstverständlich. Die Wirtschaftswoche erfuhr in einer Anfrage beim Bundesgesundheitsministerium, dass unter anderen das Saarland bisher noch in keinem Gesundheitsamt Sormas nutze. Schnittstellenprobleme sollen auch hier der Hemmschuh sei.

Digitalisierungs-Start-ups zum Bleiben motivieren

Unübersehbar bleibt: Digitalisierung im Gesundheitswesen muss auch in Deutschland schneller gehen. Eine alternative Software würde für die aktuelle Situation und die große, föderal vielfältige Bundesrepublik vielleicht besser taugen als Sormas. Auch wenn die derzeit favorisierte Software, die seit 2014 als Open-Source-Tool unter Mitwirkung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung – ursprünglich wegen Ebola – entwickelt wurde, bei der Epidemie-Bekämpfung in Afrika sehr geholfen hat, als es um Ausbruchsmanagement und digitalisierte Krankheitsüberwachung ging.

Doch Start-ups, die oft sehr pragmatische Lösungen entwickeln, haben es angesichts aller regulatorischen Vorgaben und der gesetzlichen Krankenkassen, in denen 90 Prozent der Versicherten Mitglieder sind, hierzulande nicht leicht, Innovationen voranzubringen und ihre Investoren lang genug bei der Stange zu halten. Gesundheitsminister Jens Spahn sagte im Herbst 2020 bei der „Digital Health Conference“ der „Transformation Week“, bei der etwa 4.500 Teilnehmer über Künstliche Intelligenz und Digitalisierung in der Medizin diskutierten: „Wir müssen als Deutschland und Europa weniger abhängig von China sein. Das gilt ein Stück weit auch für die USA. Das ist eine andere Vorstellung von Datenschutz und auch von Algorithmen.“

Deutschland muss Gas geben: Die Abwanderung beziehungsweise der Ausverkauf von Unternehmen der Künstlichen Intelligenz und der Robotik hat schon begonnen. Im Health-Management geht es um Menschenleben und darum, dass Deutschland als Innovationsstandort nicht abgehängt wird.

Spahn im November über Firmen des digitalen Gesundheitswesens: „Wir müssen uns nicht verstecken. Wir haben tolle Unternehmen. Ich möchte, dass sie hierbleiben.“

Wenn das klappen soll, muss der Gesundheitsminister aufs Tempo drücken. Und die Bundesregierung darf nicht an der falschen Stelle sparen.

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